djam

quelle: hofer filmtage

Djam ist der neueste Film von Toni Gatlif, er feierte in Cannes im Mai Welt-, und in Hof jetzt Deutschlandpremiere, Ende April 2018 wird er voraussichtlich in die hiesigen Kinos kommen. Wieder erzählt Gatlif die Geschichte einer frei- und eigensinnigen Frau: Djam wird von Kakourgos (Simon Abkarian) nach Istanbul geschickt, um ein Ersatzteil für sein Boot zu besorgen. Zusammen mit der in Istanbul gestrandeten Avril (Maryne Cayon) reist Djam (Daphné Patakia) durch die Türkei und Griechenland, mit den beiden jungen Frauen hören wir Rembetiko, die Musik der zu Atatürks Zeiten aus der Türkei vertriebenen Griechen, und blicken (nur scheinbar nebenbei) auf die aktuell von den vielen übers Meer geflüchteten Menschen übriggebliebenen Schlauchboot- und Schwimmwesten-Berge, surreales Plastik-Monument für das Schicksal von Hundertausenden und den Tod von Tausenden verzweifelter Menschen.

quelle: hofer filmtage

Auch hier wieder eine unbändige, freie Persönlichkeit, die den Widrigkeiten der Welt Lebenslust und Sinnlichkeit entgegensetzt. Im Vergleich zu den seinen anderen Filmen (etwa Exils, Swing oder Transylvania) fällt Djam allerdings im Tempo zurück, Gatlif gelingt es hier weniger, an seine Beschwingtheit im Ton und Leichthändigkeit im Umgang mit schwierigen Themen anzuknüpfen. Die Story wirkt etwas beliebig, die Figur Djam in ihrem Trotz gewollt und konstruiert. Und ich kann nicht umhin, mich davon irritieren zu lassen, dass so wie der Regisseur älter, seine Hauptdarstellerin jünger, schöner und blonder wird.

ffh 2017: der vierte tag

… Und es wurde gestern tatsächlich eine lange Filmnacht ganz im Zeichen von Tony Gatlif, bin völlig begeistert von dem leichtfüßigen Swing und dem heftigen Exils, muss danach erst mal etwas erschöpft ein Bier trinken, um dann doch noch in die Spätvorstellung von Transylvania zu rasen. Diese Filme bestechen mit ihrer Kraft, Lebensfreude, Intensität und Menschlichkeit, ich wünsche mir beim Zusehen, sie würden einfach nicht mehr aufhören. Entsprechend müde komme ich heute morgen nicht aus der Kiste. Mein erster Film ist erst abends, ich habe also den ganzen Zeit, in Ruhe die Filme von gestern zu besprechen.

Das sonstige Hofer Programm verblasst für mich angesichts des Sogs, den die Gatlif-Filme auf mich ausüben. Heute Abend werde ich mir entsprechend zuerst seinen neuesten Film Djam ansehen, der hier in Hof Deutschlandpremiere feiert. In der Spätvorstellung geht es dann wohl in Gadjo Dilo.

transylvania

| r toni gatlif | F 2006 | transylvania | a asia argento | a birol ünel |

quelle: hofer filmtage

Aus Südfrankreich nach Transsylvanien: Das ist die Reise, die Zingarina zusammen mit ihrer Freundin Marie antritt, um Milan zu finden. Der Musiker ist ihre große Liebe und der Vater ihres ungeborenen Kindes, der sie plötzlich und ohne Erklärung verlassen hatte, um in seine Heimat zurückzukehren. Als sie ihn findet und von ihm zurückgewiesen wird, bricht sie zusammen. Sie verlässt Marie und schließt sich, planlos in ihrem Schmerz, dem nächsten Straßenkind an. Verwahrlost wird sie von Tchangalo aufgelesen, der sich in Rumänien mit halbseidenen Geschäften durchschlägt. Die beiden Streunenden tingeln nun gemeinsam in seinem Mercedes übers Land, leben draußen, übernachten im Wagen in Wäldern, am Straßenrand. „transylvania“ weiterlesen

exils

quelle: hofer filmtage

Ein französisches Paar Anfang zwanzig: die algerienstämmige Naïma (Lubna Azabal) und der von Algerienfranzosen abstammende Zano (Romain Duris). Sie beschließen, das Land ihrer Herkunft zu besuchen, das sie nie betreten haben: Zu Fuß, mit Zug und Bus reisen sie über Spanien nach Algerien. Sie fahren schwarz und schlafen unter freiem Himmel, waschen sich in öffentlichen Brunnen. Ein modernes Hippie-Pärchen, jung, frei und ungezwungen, unbändig in ihrer Liebe zueinander, immer Musik auf den Kopfhörern. Und lernen auf ihrer Reise verschiedene Menschen kennen, Geflüchtete und fahrendes Volk: Zano und Naïma werden von einer Roma-Gruppe zum Kaffee eingeladen und übernachten mit ihnen unter Planen, verbringen ein paar Tage mit dem algerischen Geschwisterpaar Habib und Leila, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft versuchen, sich nach Paris durchzuschlagen, verbringen eine aufgeladene Nacht in Flamenco-Locations in Sevilla. „exils“ weiterlesen

swing

quelle: hofer filmtage

Der erste Film aus der diesjährigen Retrospektive auf den Hofer Filmtagen, die Tony Gatlif gewidmet ist. Ich bin begeistert. Erzählt wird aus der Perspektive des vielleicht zehnjährigen Max (selbstbewusst und angenehm: Caspar Copp), der die Ferien bei seiner Großmutter in Straßburg verbringt. Max hört in einer Bar einen Mann Jazz Manouche auf der Gitarre spielen und setzt sich in den Kopf, diese Musik zu lernen. Im Austausch für Schreib- und Lesedienste überredet er Miraldo, ihm Unterricht zu geben. Max verliebt sich in Swing, ein burschikoses Manouche-Mädchen, das er zunächst für einen Jungen hält und taucht tief ein in die Welt der Manouches, sesshaften Sinti. Er hört sie ihre Sprache sprechen, lässt sich Fotos zeigen, Miraldo erzählt ihm über die Lebensweise der Manouches, Swings Großmutter über die Deporationen im besetzten Frankreich, die in ihrer Familie nur sie und ihr Bruder überlebten. „swing“ weiterlesen

ffh 2017: der dritte tag

Da ich gestern noch nicht richtig zum Schreiben gekommen bin, opfere ich den ersten Film am Vormittag, bleibe im Hotel und versuche, den drei Filmen von gestern und vorgestern schreibend nachzukommen. Heute stehen die ersten Filme aus der diesjährigen Retrospektive an, die dem algerisch-stämmigen französischen Regisseur Tony Gatlif gewidmet ist.

Tony Gatlif wurde 1948 in Algier geboren, der Vater war Kabyle, die Mutter Roma. Während des Algerienkriegs zu Anfang der 1960er Jahre emigrierte Tony Gatlif nach Frankreich und begann nach einer Schauspielausbildung damit, selbst Filme zu drehen. Zentrale Themen sind die verschiedenen Roma-Communities, die er während seiner ausgedehnten Reisen kennengelernt hat, Exilierte aus aller Welt, und nicht zuletzt: die Musik. Heute sehe ich mir Swing (2002) an, eine Geschichte, die bei den elsässischen Manouches spielt, und Exils (2004) über ein Pärchen, das beschließt, nach Algerien, in ihr unbekanntes Herkunftsland, zu reisen. Ich bin ungeheuer gespannt auf die Machart dieser Filme! Vielleicht schaffe ich es ja sogar, noch in eine Spätvorstellung zu gehen, dann würde ich mir noch Transylvania (2006) ansehen, eine Reise zweier Frauen nach Rumänien. Das könnte eine lange Filmnacht werden!

the shape of water

| r guillermo del toro | usa 2017| a sally hawkins : richard jenkins : michael shannon : octavia spenser : michael stuhlbarg : doug jones |

quelle: hofer filmtage

Die Schöne und das Biest, Fantasie-Märchen im Tim Burton-Style mit trashigen Splatter-Einlagen, vor der Kulisse des Kalten Krieges, einschließlich Hochsicherheitslabor, sowjetischer Agentenstory, dem unverzichtbaren sadistischen Bösen und einem wunderbaren Monster. Auch eine kurze Musical-Tanz-Gesangs-Einlage darf bei diesem Stoff nicht fehlen. Popkornkino vom Feinsten, mit wunderbarem Cast: Sally Hawkins als stumme ätherische Schöne, Richard Jenkins als ihr herrlich verschusselter schwuler Nachbar und väterlicher Freund, Michael Shannon als Superfiesling, Octavia Spenser als resolute wortgewaltige Freundin, Michael Stuhlbarg als Wissenschaftler und Spion mit reinem Herzen und schließlich Doug Jones in der (Wohl-)Gestalt der amphibischen „Kreatur“.

quelle: hofer filmtage

Hollywood-Größe Guillermo del Toro (Hell Boy I und II, Pacific Rim, Crimson Peak) hat sich The Shape of Water selbst geschenkt, eine zarte Liebesgeschichte zwischen der versehrten Schönen und dem göttlichen Amphibienmonster, das von den bösen Mächten im Hochsicherheitslabor der amerikanischen Regierung in Ketten gehalten und misshandelt wird. Es ist ein romantisches Liebesmärchen darüber, dass die Kleinen und (nur scheinbar) Schwachen über die Mächtigen siegen können und dass die Liebe auch die größten Widerstände besiegen kann. Frei von Pathos, detailverliebt und mit vielen Anspielungen, höchst unterhaltsam und mit Leichtigkeit vorgetragen. Wunderbar!

a la recherche des femmes chefs

| r vérane frédiani | doc – f 2016 | b vérane frédiani | 106 min |

quelle: hofer filmtage

Es ist ja wahrlich nicht so, als ob es keine Frauen in der Küche gäbe. In der Spitzengastronomie dagegen sind Frauen nicht zu sehen. Vérane Frédiani ist diesem Phänomen in ihrem Dokumentarfilm nachgegangen und hat sich auf die Suche nach weiblichen Chefköchinnen (A la recherche des femmes chefs) gemacht. Abgesehen davon, dass sie selbstverständlich Köchinnnen findet und porträtiert, gibt Frédiani Erklärungen sowohl dafür, wie die zahlenmäßig massiv unterrepräsentierten Köchinnen aus den Leitungspositionen der Küchen herausgehalten werden, als auch dafür, wie man(n) die wenigen Frauen in den Spitzenküchen systematisch unsichtbar hält. A la recherche des femmes chefs zeigt mit Witz, Charme und Wärme wie man eine gender-gerechte Sichtweise auf das Phänomen Frauen und Profiküchen entwickeln kann und lässt verschiedene Branchenkenner die struktuellen Mechanismen erklären, mit denen Frauen systematisch aus den Spitzenpositionen herausgehalten werden. „a la recherche des femmes chefs“ weiterlesen

ffh 2017: zweiter tag

Nach dem ambivalenten Eröffnungsfilm Drei Zinnen am Dienstag Abend ist für mich der erste Tag auch schon zu Ende. Verrotzt und mit Kopfschmerzen verzichte ich auf die Eröffnungsparty in der Hoftex und fahre direkt ins Hotel. Den zweiten Tag gehe ich dann entsprechend gemütlich an. Ich freue mich auf Chefköchinnen in A la recherche des femmes chefs, und am frühen Abend gönne ich mir amerikanisches Popkorn-Kino: Guillermo del Toros The Shape of Water, der in Venedig den Goldenen Löwen geholt hat.

drei zinnen

| r+b jan zabeil | d 2017 | a arian montgomery : alexander fehling : bérénice bejo |

Der Eröffnungsfilm der Hofer Filmtage: Drei Zinnen, geschrieben und in der Regie von Jan Zabeil. Die Drei Zinnen bilden die gigantische Alpenkulisse für eine Berghütte, in der eine kleine Familie zurückgezogen Urlaub macht: ein Junge, die Mutter und der Stiefvater. Erzählt wird die schwierige Beziehung zwischen dem vielleicht siebenjährigen Tristan (schön sperrig: Arian Montgomery) und seinem Stiefvater Aaron (Alexander Fehling). Über weite Strecken langsames Arthouse im Gewand von handwerklich gekonntem Hochglanzkino. Das Chalet schäbi-schick eingerichtet, die Menschen gefällig anzusehen, der Film etwas verkrampft um Vermeidung von Klischees bemüht: Die schöne Mutter (Bérénice Bejo) auch intellektuell, wie ein Buchtitel über Logik wenig subtil vermittelt. „drei zinnen“ weiterlesen