drei zinnen

| r+b jan zabeil | d 2017 | a arian montgomery : alexander fehling : bérénice bejo |

Der Eröffnungsfilm der Hofer Filmtage: Drei Zinnen, geschrieben und in der Regie von Jan Zabeil. Die Drei Zinnen bilden die gigantische Alpenkulisse für eine Berghütte, in der eine kleine Familie zurückgezogen Urlaub macht: ein Junge, die Mutter und der Stiefvater. Erzählt wird die schwierige Beziehung zwischen dem vielleicht siebenjährigen Tristan (schön sperrig: Arian Montgomery) und seinem Stiefvater Aaron (Alexander Fehling). Über weite Strecken langsames Arthouse im Gewand von handwerklich gekonntem Hochglanzkino. Das Chalet schäbi-schick eingerichtet, die Menschen gefällig anzusehen, der Film etwas verkrampft um Vermeidung von Klischees bemüht: Die schöne Mutter (Bérénice Bejo) auch intellektuell, wie ein Buchtitel über Logik wenig subtil vermittelt.

quelle: hofer filmtage

Das Kind kann sich nicht mit der Trennung seiner Eltern und mit dem neuen Partner der Mutter abfinden und ringt mit seinem Platz in der neuen Familie, wo andeutungsweise ein neues Kind und ein Umzug geplant wird. Eine Geschichte über modernes Leben und patchwork-Familien. Beeindruckend auf jeden Fall der konzentrierte Fokus auf diesen Konflikt, die Ausrichtung der Erzählung auf das Kind, die Ernsthaftigkeit der Bemühungen des Mannes um die Zuneigung des Jungen.

Zuallererst sehen wir natürlich ein Familiendrama, komplexe und schmerzvolle Beziehungsstrukturen, wie es sie in modernen Familien mit getrennten Eltern oftmals gibt. Gesprochen wird wenig und mit Gewicht. Die sparsamen Dialoge sind kondensiert und oszellieren in ihrer Bedeutungsschwere zwischen Belanglosigkeit, Pathos und Kitsch. Die visuellen Oberflächen sind für meinen Geschmack zu glatt und hochpoliert, der nur zu Fuß erreichbaren Berghütte nehme ich die staub- und schimmelfreie Einrichtung nicht ab.

quelle: hofer filmtage

Und dann ist Drei Zinnen entsprechend des Titels natürlich auch ein Bergfilm, dramatisches Wetter, ausladende Landschaftsaufnahmen, furchteinflößende in den Himmel ragende Fels- und Bergwände und Bergkatastrophen eingeschlossen.

Mit der beeindruckenden Bergkulisse korrelieren die komplizierten inneren Seelenzustände der Protagonisten, zuvorderst des Jungen, der um seine Mutter kämpft sowie dafür, dass seine Eltern wieder zusammenkommen. Weigert sich, im eigenen Bett zu schlafen, lässt dem Paar kaum Intimsphäre. Doch wie existenziell sein Kampf ist, zeigen im Laufe des Films dann zuerst kleine, dann größere Grausamkeiten des Kindes gegen den Stiefvater. Das ist zweifelsohne eine Stärke des Films. Tristan ist kein sympathischer Junge, Tristan ist hinterlistig, berechnend und manipulativ und setzt verzweifelt alle Mittel für seine Sache ein.

Diese Ausgangs- und Gemengelage hätte sich gut für eine schleichende Überführung in eine Thriller-Dramaturgie geeignet. Jan Zabeil entscheidet sich jedoch für eine langsame Narration, für ein genaues Hinsehen und Beobachten. Und dann überrumpelt er am Ende den Zuschauer mit einem unvermittelten hochdramatischen und für einen Bergfilm nur allzu erwartbaren Finale. Da mir dieser Schluss in seiner grotesken unglaubwürdigen Überspitzung den Film vermiest hat, bin ich mir nicht sicher, was besser gewesen wäre: Den Film von vornherein stufenweise mit mehr Tempo und Spannung zu versehen und von einem Psychodrama in einen Psychothriller kippen zu lassen oder aber konsequent bei der entschleunigten Gangart zu verbleiben.

Als Eröffnungsfilm der Hofer Filmtage hob sich Drei Zinnen dennoch wohltuend von den unsäglichen Blumen von gestern des letzten Jahres ab. Premiere feierte Jan Zabeils Film im August in Locarno, wo er einen Publikumspreis gewann. Ich bin während des Films hin- und hergerissen. Der missratene Schluss mit seiner unglaubwürdigen Überzogenheit zeigt mir dann aber, dass der Film durchaus Ambitionen hatte, sich aber dann doch nicht entscheiden kann, was er sein will.