transylvania

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quelle: hofer filmtage

Aus Südfrankreich nach Transsylvanien: Das ist die Reise, die Zingarina zusammen mit ihrer Freundin Marie antritt, um Milan zu finden. Der Musiker ist ihre große Liebe und der Vater ihres ungeborenen Kindes, der sie plötzlich und ohne Erklärung verlassen hatte, um in seine Heimat zurückzukehren. Als sie ihn findet und von ihm zurückgewiesen wird, bricht sie zusammen. Sie verlässt Marie und schließt sich, planlos in ihrem Schmerz, dem nächsten Straßenkind an. Verwahrlost wird sie von Tchangalo aufgelesen, der sich in Rumänien mit halbseidenen Geschäften durchschlägt. Die beiden Streunenden tingeln nun gemeinsam in seinem Mercedes übers Land, leben draußen, übernachten im Wagen in Wäldern, am Straßenrand.

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Birol Ünel, den man hierzulande aus den Filmen von Fatih Akin kennt, ist der ideale Tchangalo, der schnodderige Einzelgänger, verwegen, verwachsen, hinterfotzig, melancholisch. Ihm gelingt es, der Schauspiel-Urgewalt der umwerfenden Asia Argento standzuhalten, die sich in der Rolle der Zingarina unbändig, saufend, tanzend, brüllend, prügelnd, schön und sehr wütend durch ihr Leben und den Film pflügt. Selten so eine starke und unabhängige Frauenfigur in einem Film gesehen.

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Tony Gatlif, der auf den Hofer Filmtagen 2017 mit einer Retrospektive geehrt wurde, findet auch in Transylvania wieder starke Bilder und Kulissen für seine Geschichte: Rumänien mit seinen weiten Landschaften, schlechten Straßen, Laubwäldern, den zerfurchten Gesichtern der Leute, der allgegenwärtigen Armut und den überall um Essen bettelnden Kindern. Zingalinas Zusammenbruch inmitten des lärmenden folkloristisch-karnevalistischen Umzugs, später die orthodoxe Teufelsaustreibung-Szene mit sakralem Chorgesang in einer Holzkirche.

Es sind wundersame, im positiven Sinne unzeitgemäß anmutende Filmwelten, die der algerienstämmige Franzose erschafft (siehe auch Swing und Exils). Tony Gatlif lässt wilde, unbändige Figuren aufeinander los, die von Sehnsucht und Verzweiflung getrieben sind und zugleich vor Lebenskraft strotzen, erzählt letztlich romantische Geschichten von einsamen Menschen. Und setzt das Ganze in die reale, zuweilen dokumentarisch anmutende Zeichnung einer Welt, die mit echten Menschen bevölkert ist, die oftmals in Armut leben und immer Persönlichkeiten mit Würde und Stolz sind. Und so wie Zingarina und Tchangalo gefangen, kopflos und lebensmüde durch Transylvania taumeln, aber das eben miteinander und saufend, singend und schlagend und damit mutig, wild und stark, dann ist das ein irres Abfeiern von Freiheit und Lebenslust. Das ist wuchtig, macht richtig Spaß – und ist großes Kino!