Die Schwalbe

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Hätte ein interessanter Film werden können. Ein Road-Movie durch das syrische Kurdistan von heute. Lange Aufnahmen der sich in die Ferne verlierenden wunderschönen Landschaften, Berge, mäandernde Straßen. Vorbei an mit Stacheldraht umzäunten Flüchlingscamps, zerstörten Dörfern. Soldaten und militärische Kontrollpunkte allenortens. Ein Land im Krieg. „Die Schwalbe“ weiterlesen

Dritter Hoferfilmtag: Virzì und Khalil

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quelle: www.frenetic.ch

la_pazza_gioia_film_posterAm heutigen Donnerstag, dem dritten Hoferfilmtag, stehen zwei Road-Movies auf meinem Programm, die unterschiedlicher kaum ausfallen könnten: Zwei Frauen, die aus einer psychiatrischen Anstalt ausbüchsen und durch die Toscana touren (La pazza gioia / Die Überglücklichen von Paolo Virzì) sowie ein ungleiches Paar auf einer Suche, das es durch die weiten Landschaften des syrischen Kurdistans führt (Die Schwalbe von Mano Khalil).

Zwei Studierendenfilme: Annunciation und Das unmögliche Bild

annunciation_filmplakat_dw_2Müde nach viel zu kurzer und ansonsten schlechter Nacht, das Schreiben dauert und ich verschiebe meinen ersten Filmslot des Tages auf den frühen Nachmittag. Da werden zwei Studierendefilme zusammen gezeigt, ein Kurz- und ein Langfilm. Zuerst sehe ich den KHM-Erstling Annunciation von Halit Ruhat Yildiz. Ein kleiner, 22 minütiger Film über eine im deutsch-türkischen Milieu in Köln angesiedelte Beziehung (Ismail Zagros und eine durch ihr feines und differenziertes Spiel beeindruckende Neshe Demir) und über eine folgenschwere Entscheidung. Es geht um Krebs und Tod und Weiterleben. Auch wenn mich der Film nicht richtig begeistert, ist er doch genau beobachtet und nah an den Figuren fotografiert.

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Bild: Hofer Filmtage 2016

Direkt im Anschluss ein Film der im dritten Jahr an der Filmhochschule Ludwigsburg studierenden Autorin und Regisseurin Sandra Wollner. Das unmögliche Bild fängt aus dem Superachtfilm-Kamera-Blick der dreizehnjährigen Johanna im direct-cinema-Stil die Erinnerungen an eine Kindheit im Wien der fünfziger Jahre ein, an die mehrere Generationen übergreifende Familie, die gemeinsam in einer Wohnung lebt, an die Großmutter Maria, eine Engelmacherin, und an die jüngeren und älteren Frauen, die allwöchentlich bei Tee und Schnaps die Wohnung bevölkern. Eva Linder spielt die Maria in diesem kleinen, ambitionierten und nahezu ohne Budget gedrehten Film überzeugend so schroff wie liebevoll und brutal. Eine formal jenseits der ausgetretenen Sehgewohnheiten angesiedelte Coming-of-Age-Geschichte, eine atmosphärische Reflexion über Erinnerung und Wahrnehmung.

NACHTRAG: Sandra Wollner gewinnt mit Das unmögliche Bild den mit satten 10.000 Euro dotierten Förderpreis Deutsches Kino der Hofer Filmtage!

Chris Kraus: Die Blumen von gestern

An die Leserin und den Leser: Wer vor hat, diese ‚Tragikomödie‘ noch zu sehen und sich lieber ein eigenes Urteil bildet: Die Blumen von gestern kommen nächstes Jahr ins Kino. Hier hingegen folgt ein erboster Verriss, der auch Pointen verrät!

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quelle: hofer filmtage

Warum? Weil es unverzeihlich ist. Es gibt Wendungen in Geschichten, die sind irgendwie blöde oder unpassend, aber verzeihlich. Wenn aber ein impotenter Holocaust-Täter-Enkel von einer Holocaust-Opfer-Enkelin von seinem sexuellen Unvermögen erlöst und dies noch dazu von Anfang an absehbar ist – dabei hofft der Zuschauer noch verkniffen, nein, das kann einfach nicht sein, bitte, lass das nicht passieren, bitte!, neinneinneinnein… und es natürlich doch passiert -, ist das einfach unverzeihlich. Und dann wird bei diesem alles erlösenden Geschlechtsverkehr auch noch ein Kind gezeugt – die Frucht der Versöhnung -, was die Liebenden bereits am Folgetag wissen, weil sie den Eisprung hören (!), aber das nur als Nebennotiz. „Chris Kraus: Die Blumen von gestern“ weiterlesen

Die Eröffnung

blumenvongestern_poster_150 Jahre Hofer Filmtage. 49 Jahre lang standen sie unter der Leitung von Heinz Badewitz, der plötzlich im Frühjahr (während einer Kinovorstellung auf einem Festival) verstorbene Initiator, Motor und spiritus rector des Festivals. Jetzt die unmögliche Situation, den runden Geburtstag einer Institution ohne seine wichtigste Figur zu feiern. Natürlich fließen bei der Eröffnung Tränen, das Kuratorium der Jubiläumsausgabe Linda Söffker (Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale), Alfred Holighaus (SPIO – Spitzenorganisation der Filmwirtschaft) und Thorsten Schaumann (Programmacquise bei Sky) erinnern an Badewitz und Alfred Holighaus eröffnet schließlich mit einem angemessenen Zögern das Festival. Der Eröffnungsfilm: Chris Kraus‘ Die Blumen von gestern.

Vor dem Film liest Kraus, der 2006 mit Vier Minuten in Hof debütierte, noch den Brief vor, den er an Badewitz geschrieben hat, nachdem er von dessen Tod erfahren hat. Dann muss das Publikum eine etwas absurde Grußbotschaft von Ilse Aigner in ihrer Eigenschaft als Bayerische Medienministerin über sich ergehen lassen.

Im Anschluss gibt es Hoferfilmtagebier und Party in einer Fabrikhalle mit lokaler Band. Ich unterhalte mich lange mit der jungen Regisseurin Sandra Wollner, die auf den Filmtagen ihren Hochschulfilm Das unmögliche Bild vorstellt. Ein angeregtes, natürlich auch etwas weinseliges Gespräch über Filme, das Problem der Erinnerung und die psycho-mechanischen Grundlagen der Empathie, das mich über die Party rettet.

50. internationale hofer filmtage

plakat-50-hofer-filmtage-page-001Im etwas beunruhigend ratternden Regionalzug von Nürnberg nach Hof beginne ich systematisch die Mitpassagiere nach möglichen Merkmalen der Zugehörigkeit zur Filmszene zu scannen. Tatsächlich werden die beiden spanisch sprechenden, müden Herren, die mir gegenüber sitzen, am Bahnhof von einem eigens vom Festival eingerichteten Shuttle-Service abgeholt, mitfahren darf ich dann bei dem Schauspieler Ismael Zagros, von dem in Hof gleich zwei Filme laufen – die kurdisch-schweizerische Produktion Schwalbe und der Kurzfilm Annunciation – und mit dem ich mich in ein paar Minuten über Köln unterhalte (er wohnt in Ehrenfeld).

Als erstes rasch mit einer filmtätigen Bekannten ins Pressebüro, Karten für den Eröffnungsfilm Die Blumen von gestern sichern, auf dem Weg zurück traf meine Bekannte noch eine andere Bekannte, die mit einer unerwartet kleinen und zierlichen Hannah Herzsprung unterwegs war, schnell noch vorgestellt und Hände geschüttelt.

In knappen eineinhalb Stunden überfliege ich das ausführliche Festivalprogramm und stelle mir hektisch neun Filme zusammen, die ich mir bis Sonntag ansehen möchte. Ich sitze im Café draußen in der Fußgängerzone, überall um mich herum Menschen mit Filmtage-Bändchen und Programmen unter dem Arm. Dann Pizza und ab zum Eröffnungsfilm.

Willkommen auf den 50. Internationalen Hofer Filmtagen. Es ist nett hier.