rih rabani – divine wind

Drei Personen, ein abgelegenes Haus in der algerischen Wüste, der Dschihad. Die Personen – eine junge Frau, ein junger Mann, eine alte Frau – kennen einander nicht. Es ist ein  konspiratives Treffen: Die beiden jungen Menschen bereiten ein Selbstmordattentat im Auftrag des Islamischen Staates auf eine Ölraffinerie vor. Die alleinlebende alte Frau bietet den Terroristen Unterschlupf und kocht für sie. Zwischen den drei Personen entspinnt sich ein spannungsgeladenes, indes leise artikuliertes Spiel um Macht und Unterwerfung, um Liebe und Demut, um Gehorsam, um Manipulation und gegenseitige Anziehung. Den Hintergrund bildet die Einsamkeit und fruchtlose Ödnis der Wüste, eingefangen in ausladenden Großformat-Aufnahmen in Schwarzweiß (wunderbare Bilder von Mohamed Tayed Laggoun).

Der algerische Regisseur Merzak Allouache schreibt einen Film über den Dschihad, indem er sich auf zwei Figuren beschränkt, die Attentäter: Nour, die fanatisierte Anführerin mit französischem Pass und Kampferfahrung (samt Traumatisierung) in Syrien. Und Amine, ein verunsicherter junger Mann, der durchaus bereits ist, für die Sache des Islamischen Staates zu kämpfen, nicht aber zu sterben. Es geht um Mitmenschlichkeit, Verhärtungen und Liebe in Fanatismus und Ideologie. Allouache trifft die geschickte Entscheidung, auf die eigentliche Bebildung des Krieges, insbesondere seiner Grausamkeiten zu verzichten. Er verlässt sich statt dessen auf seine lediglich mit kargen Worten ausgestatteten Figuren, deren Rollen hervorragend besetzt sind: SARAH LAYSSAC (bereits im wunderbaren À mon âge je me cache encore pour fumer von Rayhana gesehen) changiert als Nour zwischen burschikos, selbstbewusst, lebenslustig, traumatisiert und fanatisiert. LAYSSAC gelingt es, ohne ein einziges Wort innerhalb kurzer Augenblicke ein Minenspiel auf ihr Gesicht zu zaubern, das die ganze Palette widerstreitender Gefühle spiegelt, die Nour empfindet, als sie im Internetcafé ihren „Einsatzbefehl“ zum Selbstmordattentat liest. Der wunderschöne MOHAMED OUGHLIS gibt den zarten und verletzlichen Amine, der eigentlich um Liebe ringt und darum, sich aus Nours Dominanz zu befreien. In einer grandiosen Nebenrolle schließlich erleben wir MESSAOUDA BOUKHIRA als alte Berberfrau El Hadja.

Ein weiterer Protagonist dieses Filmes ist schließlich Algerien selbst, dem Merzak Allouache sein über vierzigjähriges reiches Filmschaffen widmet, ein Land, das tief gezeichnet ist von Postkolonialismus, Bürgerkrieg der sogenannten décennie noire und ihren Auswirkungen auf die heutige Gesellschaft (siehe etwa seinen bilderstarken Algier-Film Es Stouch – Les terrasses von 2013), und Islamismus. Während in Rih Rabani (Divine Wind) die inneren und äußeren Kämpfe der Figuren vor der Kulisse der ausladenden Wüstenlandschaft stattfinden, ist da auch das Leben in Algerien, wenn wir mit El Hadja auf dem wuseligen Markt gehen, mit Nour im vollen Bus sitzen oder mit Amine im Café dem Treiben auf der Straße in der Stadt zusehen. Und dann steht abends ein Dromedar auf dem Kamm eines Hügels, die Umrisse des Tieres kontrastieren schwarz gegen das Licht der untergehenden Sonne.

Rih Rabani (Divine Wind) sorgt mit seinen epischen Bildern und der ausladenden Wüstenkulisse für ein visuelles Vergnügen, mit dem Figurenspiel seiner wunderbaren Schauspieler für hohe emotionale Eingebundenheit und mit dem Thema Dschihad für hohe nervliche Anspannung. Ein Film, der überaus anstrengend und absolut sehenswert ist.