rih rabani – divine wind

Drei Personen, ein abgelegenes Haus in der algerischen Wüste, der Dschihad. Die Personen – eine junge Frau, ein junger Mann, eine alte Frau – kennen einander nicht. Es ist ein  konspiratives Treffen: Die beiden jungen Menschen bereiten ein Selbstmordattentat im Auftrag des Islamischen Staates auf eine Ölraffinerie vor. Die alleinlebende alte Frau bietet den Terroristen Unterschlupf und kocht für sie. Zwischen den drei Personen entspinnt sich ein spannungsgeladenes, indes leise artikuliertes Spiel um Macht und Unterwerfung, um Liebe und Demut, um Gehorsam, um Manipulation und gegenseitige Anziehung. Den Hintergrund bildet die Einsamkeit und fruchtlose Ödnis der Wüste, eingefangen in ausladenden Großformat-Aufnahmen in Schwarzweiß (wunderbare Bilder von Mohamed Tayed Laggoun). „rih rabani – divine wind“ weiterlesen

iffr – 3. tag

Auch an diesem heutigen Dienstag beginne ich wieder bereits um halb elf mit dem ersten Film. Heute steht Fabiana auf dem Programm, eine brasilianische Doku über eine Transfrau und Lastwagenfahrerin, auf die ich mich schon sehr freue. Dafür muss ich allerdings über die große Erasmusbrug auf die andere Seite der Maas fahren, aufregend. Bin viel zu spät dran, natürlich verfahre ich mich und komme völlig erledigt und verschwitzt ein paar Minuten zu spät im Kino LantarenVenster an. Was für ein Kino! Moderne, extrem großzügige Architektur mit durch den Raum freischwebenden Treppenaufgängen und riesigen Fenstern im Kinocafé und Blick auf den Rijnhafen, ein Traum.

Nach dem Film, aus dem ich nach einem spannenden Q & A mit der jungen, sympatischen brasilianischen Regisseurin Brunna Laboissière von Fabiana regelrecht glücklich herausstolpere, ist ein Koffie verkeerd in diesem wunderbaren Kinocafé ein Muss. Vergnügt schreibe ich an der Besprechung herum, vergesse dabei die Zeit und muss mich abermals sputen, um in meinen zweiten Film zu kommen, Merzak Allouaches neues Werk Rih ribani (Divine wind) über zwei junge Menschen, die einen Selbstmordanschlag auf eine algerische Raffinerie ausführen sollen. Auf der Erasmusbrug werden alle meine Hoffnungen, es noch pünklich ins Kino zu schaffen, zerstört, als plötzlich eine Schranke den Verkehr unterbricht und ein Teil der Brücke wie von Geisteshand in die Höhe entschwebt, um zwei Schlepper mit riesigen schwimmenden Lastkränen durchzulassen. Ich bin beeindruckt  (ich habe das Foto hier mit der großen Datei verlinkt, beachte die Größe der Autos, die da unter dem Brückenteil herausschielen!). Der mit mir rauchende, BMX-fahrende junge Rotterdamer, mit dem ich ganz beschwingt über dieses Spektakel ins Gespräch komme, meint, das würde nur sehr selten passieren, diesen Teil der Brücke habe auch er noch nie in die Höhe entschweben sehen, aber darüber könne sein Großvater mehr erzählen, weil der da irgendwie gearbeitet habe. Ich will nach Rotterdam! Den Anfang des Allouache-Films verpasse ich.

Mein Abendfilm ist wieder in LantarenVenster, also fahre ich (mit einem Zwischenstopp beim Japaner) – wieder über die Erasmusbrug – zurück in das wunderbare Kino-Café und bin dankbar, dass mich zu dem sperrigen Allouache-Film etwas die Muse beim Schreiben küsst. Um kurz vor sieben gibt es dort dann die Doku Historia de mi nombre der Chilenin Karin Cuyul über eine autobiographische Spurensuche, die in die Tiefen der diktatorischen und nachdiktatorischen Gesellschaft führt.

iffr – 1. tag

Ich komme mittags in Rotterdam Centraal an. Erst als es mir gelingt, eine Horde gröhlender, offensichtlich alkoholisierter und auch sonst nicht besonders einnehmender junger Männer am Ausgang abzuschütteln, kann ich einen ersten entspannten Blick auf die Stadt werfen: Neben niedrigen Backsteinhäusern stehen hohe Gebäude, die es schaffen, nicht imposant oder klotzig zu wirken, überall wehen Festival-Tiger-Fahnen. Ich finde mein Hotel auf Anhieb – und bekomme sogar ein Zimmer nach hinten raus. Dann fahre ich ins Pressezentrum des Festivals im De Doelen-Gebäude und bin das erste Mal an diesem bislang recht anstregenden Tag ein bisschen glücklich: Hohe Räume, niederländisch geschmackvoll und luftig, mir weht weltläufige Luft um Nase und Ohren, die jungen Frauen an der Akkreditierungstheke sind von angenehmster Freundlichkeit.

Der Festivalkatalog ist überbordend. Bis zum frühen Abend bin ich damit beschäftigt, mein Programm für die nächsten Tage zusammenzustellen. Ich beginne heute gefällig mit Ying – Shadow, dem neuen Martial-Arts-Schinken von Zang Yimou aus China. Jippie!

Dieser Film ist allerdings nicht gerade repräsentativ für das Festival, das nach meinem heutigen Blick ins Programm wesentlich stärker auf Independent-Kino und Erstlinge jenseits des US-/europäischem Mainstreams ausgerichtet ist. Zu meiner Freude entdecke ich einen neuen Film von Merzak Allouache (Rih rabani – Divine Wind), den ich von Es-stouh – Les terrasses kenne. Claire Denis ist da, mit einer Masterklasse – und ihrem neuen Film High life, der bereits restlos ausverkauft ist. Doch dieser Film hat ja echte Chancen, regulär ins Kino zu kommen. Außerdem war ich von Denis‘ letztem Film alles andere als begeistert (lese: Un beau soleil intérieur). Ich dachte, vielleicht sind ja Komödien nicht Denis‘ Sache. Jetzt also ein Science fiction. Mit Robert Pattison und Juliette Binoche. Hm.