Mit zwei brasilianischen Filmen ging das Filmfest für mich politisch los: Neben O Prefeito nahm auch Aquarius Machtgier, Korruption, Vetternwirtschaft und die Folgen der Großprojekte in der Stadtplanung, Ausverkauf der Städte in den Blick. Eine ältere Frau beharrt auf ihrem Recht und bleibt in ihrer Eigentumswohnung wohnen, womit sie einen finanziell lukrativen Abriss und den Neubau einer Siedlung namens Aquarius verhindert. Die Mittel, die das Unternehmen anwendet, um ihren Widerstand zu brechen, enthüllt seine brachiale Rücksichtslosigkeit. Ein langer langsamer Film von Kleber Mendonça Filho mit einer tollen widerborstigen Protagonistin, mit der großartigen Sônia Braga in der Hauptrolle.
Closet Monster fährt mit sprechenden Hamstern und magischen Elementen auf und erzählt zwar etwas arg konventionell, aber genau beobachtet eine eigentlich ganz reizende schwule Coming-of-Age-Geschichte – hätte der Regisseur auf das allzu kitschige Ende verzichtet, hätte mir der Film gefallen. Gestern machte außerdem der menschenfeindliche Trofim auf einem lebensgefährlichen Fußmarsch durch die russische Taiga den Fund (Nakhodka – The Find) eines ausgesetzten Babys, das er vergeblich zu retten versucht. Die Figuren erwartungsgemäß wortkarg, die Landschaft schön fotografiert. Während der Suche nach der Mutter des Kindes macht der Charakter von Trofim dann eine grundlegende Wandlung durch, die der russische Film dem Zuschauer bedauerlicherweise in keinster Weise plausibel machen kann. Der offensichtliche Wunsch nach Erlösung durch Happy End hat beiden Filme ihren möglichen Zauber genommen. Wie schade.
Erste Bilanz: Ganz nett, der große Knaller war allerdings noch nicht dabei.