wilson

Woody Harrelson ist Wilson. Und der ist intelligent, nervig und mit ausgesprägtem Sendungsbewusstsein ausgestattet, tritt seinen Mitmenschen grundsätzlich zu nahe und hat einen kleinen Terrier. Wilson ist einsam. Dann zieht sein einziger Freund aus der Stadt weg und sein Vater stirbt. Als Wilson daraufhin beschließt, es doch nochmal mit dem Leben zu versuchen, seine Ex (Laura Dern) ausfindig macht und dadurch erfährt, dass er eine jugendliche Tochter hat, die zur Adoption freigegeben wurde, kommt es zu allerlei Turbulenzen.

Mir geht der berufsjugendliche Humor der graphic-novel-Verfilmung von Craig Johnson sehr bald gehörig auf die Nerven, bin etwas gelangweilt und ich finde, dass Wilson getrost der Kategorie der überflüssigen Filmen zugeschlagen werden kann. Meine Begleitung dagegen ist angetan: Sie mochte die schräge Überdrehtheit, die Unvorhersagbarkeit des weiteren Verlaufs der Geschichte und die Ambivalenz der Hauptfigur, die einem in dem einen Moment peinlich ist und in dem nächsten Moment durch seine Aufrichtigkeit im Innersten berührt. Das freundlichere Fazit meiner Freundin: Kein weltbewegender Film, aber hübsch anzusehen.

ffm 2017 tag vier

In die Spätnachmittagsvorstellung kommt eine cinephile Freundin mit, sie schlägt vor den amerikanischen Wilson, eine Komödie von Craig Johnson (The Skeleton Twins) mit den beiden wunderbaren Woody Harrelson und Laura Dern, und Tereddüt („Clair obscur“) der türkischen Filmemacherin Yeşim Ustaoğlu über Menschen zwischen Unterdrückung und Selbstbestimmung in der türkischen Gesellschaft (mit dem tollen Mehmet Kurtuluş). Ich entscheide für die leichtere Kost – und wäre im Nachhinein doch lieber in den türkischen Film gegangen.

Direkt im Anschluss an den durchwachsenen Wilson geht es aus Amerika nach Kroatien in The Constitution von Rajko Grlić. Es ist die Verfassung von Kroatien, die der bullige Ante mit Lernschwäche und serbischer Abstammung für seine Polizeiprüfung lernen muss. Dabei soll ihm Vjeko helfen, der Professor. Vjeko ist distinguiert, strammer kroatischer Nationalist und schwul. Und fühlt sich geschminkt und in Frauenkleidern am wohlsten. Ein Film über eine schwierige Nachbarschaft und über Freundschaft in einer von Hass und Vorurteilen tief zerrissenen Gesellschaft.

à mon âge je me cache encore pour fumer

Algier. Ein weiter Blick bis auf das Meer, Dachterrassen, enge Gassen. Eine Bombe. Wir sind in den Neunzigern, inmitten der décennie noire, des so genannten schwarzen Jahrzehnts, inmitten des algerischen Bürgerkriegs.

Eines Tages steht die junge Meriem an der Pforte eines Hammams im volkstümlichen Viertel Bab el Oued in Algier, mit blutig geschlagenem Gesicht, hochschwanger und verfolgt von ihrem Bruder, der sie wegen der Schande töten will. Fatima, die Betreiberin des Bades, versteckt die junge Frau, die Wehen setzen ein, und Fatima muss im laufenden Betrieb des Bades eine Hebamme auftreiben, die bei der Geburt hilft. Immer unter der Gefahr, verraten und von den barbus, den bärtigen fanatisierten Islamisten, entdeckt zu werden. „à mon âge je me cache encore pour fumer“ weiterlesen

ffm 2017 tag drei

An meinem dritten Festivaltag muss ich den Tag über arbeiten, es gab wenig Schlaf und die Laune steht nicht zum Besten. Mit etwas Mühe schleppe ich mich in den großen Saal der Kinos Münchner Freiheit in den algerischen Film. Bin vorsichtig mit meinen Erwartungen, habe so gut wie nichts über den Film gelesen und: Ein Wunder! A mon âge je me cache pour fumer ist kraftvoll, tragisch und traurig, witzig, schön gefilmt, hat ein unglaubliches Tempo und berührt mich. Als Bonbon gibt es noch Qs & As mit der Regisseurin, Rayhana ist eine temperamentvolle und emotionale mittelalte Frau, die mit einem flammenden feministischen Plädoyer beginnt. Das Publikum ist begeistert. Ich auch. Als ich in den wolkenverhangenen Abend heraustrete, beschließe ich, mir den Luxus zu gönnen, den Film nachklingen zu lassen, mir heute nichts mehr anzusehen und stattdessen schön zu Fuß nach Hause zu gehen.

ffm 2017 tag zwei

Am Samstag, meinem zweiten Festivaltag, habe ich nur Zeit für einen Film. Ich entscheide mich für Hong Sang-soos The day after, der Film lief im Wettbewerb von Cannes dieses Jahr. Ich entwickele eine Neugier am  südkoreanischen Film, nachdem ich The taste of money von Im Sang-soo und letztens den opulenten The handmaiden von Park Chan-wook im Kino gesehen habe. The day after ist hübsch anzusehen, das Schwarzweiß könnte eine Reminiszenz an das ältere französische Kino sein und ich folgen den Menschen gerne mit dem Auge durch die melancholischen Bilder, wenn sie durch winterliche Stadtlandschaften laufen. In erster Linie ist The day after allerdings ein Dialogfilm, die Wortwechsel sind durchaus intelligent, mitunter schonungslos entlarvend, und wohltuend mit ausreichend Zeit inszeniert. Und doch gelingt es mir nicht, für die Liebeswirren eines alternden Verlegers zwischen (junger) Geliebter, Ehefrau und neuer (junger) Angestellten wirklich Interesse aufzubringen.

un beau soleil intérieur

Arrivierte Künstlerin (Juliette Binoche) schläft sich auf der Suche nach der wahren Liebe durch die männliche Figurenlandschaft ihrer saturierten Welt der Künstler-Galeristen und Möchtegern-Intellektuellen. Die Message ist schnell verstanden. Es geht um die gehobene Bourgeoisie, die selbsternannte intellektuelle Elite des Landes und ihre Arroganz, ihre ewige Selbstbespiegelungen und die Sinnentleertheit ihrer Existenz. Es wird analysiert statt zu leben, geredet statt geliebt, und dabei so viel Idiotie abgesondert, dass man sich selbst demaskiert. Der Stoff, das Setting und die Figurenauswahl wären hervorragend dazu geeignet gewesen, eine bitterböse Abrechnung zu inszenieren, die Spaß macht und zugleich auch ein bisschen weh tut oder sogar ein bisschen mehr. „un beau soleil intérieur“ weiterlesen

cuori puri

In den beiden ersten Einstellungen von Cuori Puri sehen wir in Großaufnahme die Köpfe zweier rennenden Menschen: Ein junger Mann verfolgt eine junge Frau. Die Kamera von Claudio Cofrancesco ist in diesem Film nah dran an den Menschen, es sind Menschen auf der Flucht, die Bilder wackeln. Dann holt der junge Mann das Mädchen ein, das ein Handy gestohlen hat. Und die beiden verlieben sich ineinander. „cuori puri“ weiterlesen

filmfest münchen 2017

Zum dritten Mal bin ich beim Münchner Filmfest dabei. Auch dieses Jahr ist es wieder extrem heiß in München und ich stelle mich mental bereits auf die Sommergrippe ein, die auf die klimatisierten Kinosäle folgen wird. Und auch auf diesem Festival überfordert mich bei den ersten Durchgängen durch das Festivalheft die Vielfalt und schiere Menge des Programms.

Im Wettbewerb um den (den mit 50.000 dotierten) Münchner Hauptpreis konkurrieren zwölf Filme, die – außer Fien Trochs Home, Christopher Murrays El Cristo ciego und Amat Escalantes La région salvaje (klingt sehr spannend, werde ich aber leider nicht schaffen) – alle bereits in Cannes zu sehen waren. Unbedingt sehen möchte ich davon Claire Denis‘ Un beau soleil intérieur, Michael Hanekes Happy End und Hong Sang-soos The Day After. „filmfest münchen 2017“ weiterlesen

Die Schwalbe

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quelle: hofer filmtage

Hätte ein interessanter Film werden können. Ein Road-Movie durch das syrische Kurdistan von heute. Lange Aufnahmen der sich in die Ferne verlierenden wunderschönen Landschaften, Berge, mäandernde Straßen. Vorbei an mit Stacheldraht umzäunten Flüchlingscamps, zerstörten Dörfern. Soldaten und militärische Kontrollpunkte allenortens. Ein Land im Krieg. „Die Schwalbe“ weiterlesen

Dritter Hoferfilmtag: Virzì und Khalil

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quelle: www.frenetic.ch

la_pazza_gioia_film_posterAm heutigen Donnerstag, dem dritten Hoferfilmtag, stehen zwei Road-Movies auf meinem Programm, die unterschiedlicher kaum ausfallen könnten: Zwei Frauen, die aus einer psychiatrischen Anstalt ausbüchsen und durch die Toscana touren (La pazza gioia / Die Überglücklichen von Paolo Virzì) sowie ein ungleiches Paar auf einer Suche, das es durch die weiten Landschaften des syrischen Kurdistans führt (Die Schwalbe von Mano Khalil).