Und so wurde der Dienstag

In großer Vorfreude radel ich durch die mittägliche Sommerhitze zum Schwabinger Kino, hole mir noch ein Eis und beobachte vor dem Kino entspannt die Festivalbesucher. Als ich fünf Minuten vor Vorstellungsbeginn selbst reingehen will, stelle ich fest, dass ich meinen Kalender samt Kinokarten zu Hause liegen gelassen habe. Scheiße. Ich also wieder aufs Rad und fetze wie eine Irre nach Hause, hoffe inständig, dass die Festivalbetreiber ihre Drohung nicht wahr machen, niemanden mehr nach Vorstellungsbeginn reinzulassen. Außer Atem, verschwitzt und sonnenbebrillt stolpere ich in den Saal, es ist ausverkauft, umständlich krame ich meine normale Brille aus der Tasche, nur vorne in der ersten Reihe wären noch ein paar Sitze frei. Doch auf Nackenstarre habe ich wirklich keine Lust, auf der Treppe darf ich nicht sitzen (Fluchtweg!) und so verfolge ich den Film vom Boden hinter der letzten Reihe aus. Ich sehe zwar nur einen Teil der Leinwand, aber es geht schon. Viel kann ich nicht verpasst haben, lediglich eine Art Vorerzählung, dann kommt der krawallige Vorspann mit punkiger Musik und trashiger Verarsche deutschnationaler Symbole, das lässt sich super an!

Nach der Vorstellung gibt es den Hauptdarsteller Jerry Hoffmann sowie Brüggemann himself, meine Güte, ist das eine (angenehme) Plaudertasche, endlich mal jemand, der viel und witzig und dabei nicht völlig Abseitiges redet. Nicht unsympathisch, beim hippen Kinovolk im Saal kommt er ebenfalls gut an, auch wenn niemand Fragen stellt – jedenfalls nicht, so lange ich da bin, denn: Ich muss los! Also wieder aufs Rad und bei mittlerweile gefühlt vierzig Grad mit ordentlich Karacho die Leopoldstraße runter – ich muss mich wirklich sputen, um rechtzeitig in das Kino in der Innenstadt zu kommen. Dort schaffe ich gerade mal aufs Klo und schon sitze ich im kleinen Saal – diesmal, und im Kontrast zum hippen Filmvolk gerade eben, inmitten grauhaariger Herrschaften. Ich bin freudig überrascht, wie viele Zuschauer der Film ins Kino gelockt hat. Mein heutiger Filmtag ist in der Kombination dieser beiden Filme wirklich krude. Den endgültigen Kulturschock erleide ich dann, als die ersten Bilder über die Leinwand flimmern – von der Extrem-Neonazi-Groteske zu verwackelten Handkamera-Schwarzweißbildern staubiger Straßen in der chinesischen Provinz…