30.6.2015. Wir befinden uns in Prittwitz (neue Bundesländer), unsere Neonazis, das ist eine „Kameradschaft“ der Deutschnationalen Partei, das Trio aus einem eitlen Anführer, einem hirnfreien Schläger und dem Dicken, der sich immer zurückgesetzt fühlt. Und schon geht es los: Angestachelt von seiner Angebetenen (Anna Brüggemann als prollige Nazibraut Doreen) beschließt der Anführer Sven (Benno Führmann, sorry: Fürmann, kann der herrlich hohl mit seinen großen blauen Augen schauen!) Polen zu überfallen. Das heißt vielmehr, heimlich in Polen einzumarschieren, von der anderen Seite aus als Polen getarnt Deutschland zu beschießen und so die Deutschen zu seiner Invasion Polens zu provozieren. Die sind nämlich nicht aufm Kopp gefallen. Hm, genau.
Selbstredend werden alle Drei als V-Männer von gemütlichen Verfassungsschutzonkeln geführt und mit Hundertern gefüttert.
Dazu kommt ein übereifriger Journalist, der schon mal eigenhändig rechte Symbole sprayt, weil es gerade ein gutes Bild abgibt und der (nicht rechte, sondern) aufrechte Dorfpolizist Sascha (herzallerliebst: Oliver Bröcker), der zu seinem Leidwesen ebenfalls in die eben erwähnte prollige Nazibraut verschossen ist und vom Bürgermeister zu mehr Zurückhaltung bei der Verfolgung von Neonazis angehalten wird, man müsse ja schließlich auf die Presse achten. Dann haben wir noch den vom Nazitrio entführten afrodeutschen Integrationsschriftsteller (Jerry Hoffmann) mit tätowiertem Hackenkreuz auf der Stirn, der nach einem nazi-induzierten Schlag auf dem Kopf papageienhaft rechte Parolen nachplappert. Den versuchen wiederum seine hochschwangere hocheifersüchtige Freundin samt noch eifersüchtigerer Ex zu retten, alleingelassen von der Antifagruppe, die sich blöderweise basisdemokratisch darauf geeinigt haben zu versagen, so dass die beiden Frauen in ihrer Rettungsaktion nurmehr einzig und allein vom recken (nicht rechten) Dorfpolizisten Sascha unterstützt werden. Uff! Ach so, ich vergaß noch den Theatermann, der versessen darauf ist, echte Neonazis auf die Bayreuther Bühne zu bringen, dann überglücklich darüber ist, endlich welche in natura zu treffen und erst mal eins auf die Fresse kriegt. Und die TV-Talkrunde zur rechten Gewalt mit dem CSU-Mann und der integrationsbewegten Kulturwissenschaftlerin und dem Regisseur Dietrich Brüggemann und… . Und…
Der Film ist Klamauk und überdreht und trägt ein bisschen dick auf. Das muss so sein und macht viel Spaß. Die schlechte Nachricht ist bloß, dass der Film womöglich krawallig, aber vielleicht gar nicht so frech ist, wie er mit seiner Musik und Aufmachung daherkommt. Natürlich erzeugt die Verdichtung der vielen Figuren und der schon mal im Nichts verendenden Handlungsstränge die Groteske, aber faktisch zeigt der Streifen, abgesehen vielleicht vom Überfall auf Polen, die Dinge doch weitgehend so, wie sie tatsächlich sind. Spätestens seit den NSU-Prozessen wissen wir, dass die rechte Szene so stark von V-Leuten durchsetzt war (und wahrscheinlich noch ist), dass der Verfassungsschutz die NSU-Morde mindestens mittelbar finanziert hat. Umso schöner, dass Dietrich Brüggemann es sich geleistet hat, mit dem Preisgeld für den Silbernen Bären (2014 für Kreuzweg) mal das Experiment zu wagen, die bundesrepublikanische Realität rund um Rechts im ganzen absurden Ausmaß – und so unterhaltsam – zu verfilmen.