historia de mi nombre

In ihrem Erstlingsfilm (Weltpremiere auf dem IFFR 2019) geht die junge chilenische Filmemacherin Karin Cuyul (Jg. 1988) auf dokumentarische Spurensuche nach ihrem Namen, die tief in die Geschichte ihrer Familie eindringt. Sie wurde benannt nach Karin Eitel, die im Untergrund gegen die Pinochet-Diktatur gekämpft hatte, 1987 verhaftet und dann im staatlichen Fernsehen live unter Folter zu einem Geständnis gezwungen worden war. Eine innere Unruhe hatte die Macherin von Historia de mi nombre Karin Cuyul dazu veranlasst, filmisch dem Bild nachzuforschen, das die Eltern jener Karin Eitel später bei einer Begegnung von ihr gemacht hatten. Sie legt ihrer Recherche strenge Regeln auf: Sie möchte im Film nur Fragen stellen, die sich mit filmischen Mitteln beantworten lassen. Außerdem beschäftigt sie sich mit der Geschichte ihres Namens nur soweit es sie auch selbst betrifft. Ein radikaler Ansatz, der in bildlicher sowie narrativer Hinsicht eine Ästhetik der Behutsamkeit und des unbedingten Wahrheitsstrebens mündet, zugleich aber im Impliziten, Vorsichtigen und in der Andeutung verharrt. „historia de mi nombre“ weiterlesen

iffr – 3. tag

Auch an diesem heutigen Dienstag beginne ich wieder bereits um halb elf mit dem ersten Film. Heute steht Fabiana auf dem Programm, eine brasilianische Doku über eine Transfrau und Lastwagenfahrerin, auf die ich mich schon sehr freue. Dafür muss ich allerdings über die große Erasmusbrug auf die andere Seite der Maas fahren, aufregend. Bin viel zu spät dran, natürlich verfahre ich mich und komme völlig erledigt und verschwitzt ein paar Minuten zu spät im Kino LantarenVenster an. Was für ein Kino! Moderne, extrem großzügige Architektur mit durch den Raum freischwebenden Treppenaufgängen und riesigen Fenstern im Kinocafé und Blick auf den Rijnhafen, ein Traum.

Nach dem Film, aus dem ich nach einem spannenden Q & A mit der jungen, sympatischen brasilianischen Regisseurin Brunna Laboissière von Fabiana regelrecht glücklich herausstolpere, ist ein Koffie verkeerd in diesem wunderbaren Kinocafé ein Muss. Vergnügt schreibe ich an der Besprechung herum, vergesse dabei die Zeit und muss mich abermals sputen, um in meinen zweiten Film zu kommen, Merzak Allouaches neues Werk Rih ribani (Divine wind) über zwei junge Menschen, die einen Selbstmordanschlag auf eine algerische Raffinerie ausführen sollen. Auf der Erasmusbrug werden alle meine Hoffnungen, es noch pünklich ins Kino zu schaffen, zerstört, als plötzlich eine Schranke den Verkehr unterbricht und ein Teil der Brücke wie von Geisteshand in die Höhe entschwebt, um zwei Schlepper mit riesigen schwimmenden Lastkränen durchzulassen. Ich bin beeindruckt  (ich habe das Foto hier mit der großen Datei verlinkt, beachte die Größe der Autos, die da unter dem Brückenteil herausschielen!). Der mit mir rauchende, BMX-fahrende junge Rotterdamer, mit dem ich ganz beschwingt über dieses Spektakel ins Gespräch komme, meint, das würde nur sehr selten passieren, diesen Teil der Brücke habe auch er noch nie in die Höhe entschweben sehen, aber darüber könne sein Großvater mehr erzählen, weil der da irgendwie gearbeitet habe. Ich will nach Rotterdam! Den Anfang des Allouache-Films verpasse ich.

Mein Abendfilm ist wieder in LantarenVenster, also fahre ich (mit einem Zwischenstopp beim Japaner) – wieder über die Erasmusbrug – zurück in das wunderbare Kino-Café und bin dankbar, dass mich zu dem sperrigen Allouache-Film etwas die Muse beim Schreiben küsst. Um kurz vor sieben gibt es dort dann die Doku Historia de mi nombre der Chilenin Karin Cuyul über eine autobiographische Spurensuche, die in die Tiefen der diktatorischen und nachdiktatorischen Gesellschaft führt.