Heute geht es am Nachmittag in Xavier Beauvois‘ Les gardiennes über das Schicksal einer Gruppe von Frauen, die während des Ersten Weltkrieges nach dem Fortgang der Männer in den Krieg alleine den Bauernhof bewirtschaften. Das Thema interessiert mich jetzt nicht so rasend, aber da ich Beauvois‘ frühere Arbeiten sehr schätze, darunter so unterschiedliche Filme wie Des hommes et des dieux (2010), vor allem aber seinen drastischen Polizeifilm Le petit lieutenant (2005) mit Natalie Baye als abgefuckte Kommissarin, bin ich auf seinen neuen Film gespannt. Die Literaturverfilmung (Vorlage: Ernst Pérochon) entpuppt sich als Enttäuschung ohne jede Überraschung oder neue Blickweise wenngleich mit schönen Bildern von Caroline Champetier. Konventionelle Erzählung mit manchem Tränendrücker über heroische Frauen in schwierigen Zeiten, Liebesfreud wie -leid inbegriffen. Puh!
Später steht The Tale mit der großartigen Laura Dern (Certain Women) auf dem Programm, die Dokumentarfilmerin Jennifer Fox verfilmt hier eine sexuellen Kindesmissbrauch, der ihr selbst widerfahren ist. Als Dreizehnjährige hatte sie den Missbrauch zu einer Erzählung über eine Liebesbeziehung zu einem älteren Mann verarbeitet. Erst als Erwachsene realisiert sie in einem schmerzlichen Prozess, dass es sich keineswegs um eine romantische Liebe, vielmehr um ein Verbrechen gehandelt hatte. Fox stellt beeindruckend genau die Verarbeitungs- und Verdrängungsmechanismen dar, die ihr bis ins erwachsene Alter ermöglicht haben, nicht zu realisieren, was ihr eigentlich widerfahren war. Dabei gelingt es ihr, das Mädchen, das sie gewesen ist, und die erwachsene Frau, die sie jetzt ist, schlichten Opferkategorien zu entziehen. Ein starkes und mutiges Stück Kino, mit Isabelle Nélisse in der Rolle des Mädchens und Ellen Burstyn in einer tollen Nebenrolle als alte Mutter, die sich ihrer Verantwortung stellt. Eine unbedingte Empfehlung!