Morgens sehe ich 소년들 – The Boys, einen prominent besetzten Krimi des südkoreanischen Regisseurs Chung Ji-young, der für seine Thriller und kritischen Filme gegen Folter und Korruption auch international bekannt ist. Der Saal ist voll, damit habe ich um halb zehn Uhr morgens nicht gerechnet. Auch nicht erwartet habe ich, dass in diesem Film ein Krimi mit sozialem Realismus und einer human-touch-Story krude miteinander vermischt – und dass mir der Film dann trotzdem gefallen würde.
Es geht um den Polizisten Hwang Juncheol (Sol Kyung-gu), genannt ‚Mad Dog‘, der in mehreren Anläufen versucht, einen Fall zu lösen, bei dem drei Jungen für ein Verbrechen verurteilt wurden und ins Gefängnis gegangen sind, das sie wahrscheinlich nicht begangen haben. Der Fall basiert auf einer wahren Geschichte, es geht um Polizeiwillkür und -gewalt und um autoritäre Strukturen innerhalb der südkoreanischen Polizei, denen sich ‚Mad Dog‘-Hwang Juncheol zunehmend entgegen- und trotz aller Einschüchterungsversuche widersetzt. Die Geschichte und viele ihrer Twists sind teilweise ziemlich voraussehbar in Szene gesetzt, ich hatte einen hard boiled-Krimi erwartet (Klischee ick hör dir traspen!) und werde von ein paar ziemlich kitschig-sentimentalen Szenen überrascht, die mit Geigenmusik beschwert ordentlich auf die Tränendrüse drücken.
Aber mir hat der Film gefallen und ich überlege, warum eigentlich. Vielleicht, weil ich den Eindruck hatte, dass er an vielen Stellen von echten Menschen handelt, ein diffenziertes Bild der südkoreanischen Gesellschaft zeichnet und Frauen nicht völlig außen vor lässt? Weil die Rollen trotz einiger Genre-geschuldeten Klischees nicht eindimensional geschrieben sind und großartig (und hochkarätig) gecastet wurden: Sol Kyung-gu ist als Cop, der sich in den Fall verbissen hat, ruppig, versoffen und sympatisch (und ganz nett anzusehen). Ihm wird ein duselig-unterwürfig-peinlicher Partner an die Seite gestellt, diese sehr klischeeisierte Figur wird aber von Heo Sung-tae so unangenehm dargestellt, dass es mir beim Zuschauen weh tut. Den Bösen (der korrupte Vorgesetzte) spielt Yoo Jun-sang beherrscht, überlegen, lächelnd, gefährlich. Und es kommen Frauen vor, die sogar sprechen: Die Tochter, die wie der Vater zur Polizei geht und selbst auf sich aufpassen kann, die Anwältin der Jungen, die sich nicht einschüchtern lässt, oder auch die Ehefrau, die vor dem Showdown auf leise, aber bemerkenswerte Weise die Figurenerwartungen sprengt.
Trotz aller Vorhersehbarkeit erzählt der Film eine spannende Geschichte und ist stimmig ausgestattet. Und am Ende gehen mir The Boys dann doch auch ein bisschen ans Herz.