In einer Pressevorführung sehe ich den neuen Film von Johannes Naber, dessen Kammerspiel Zeit der Kannibalen (2014) ich sehr geschätzt habe. Heute geht es um die (wahre) Affäre über eine irakische Quelle, die vom BND als Curveball geführt wurde und (Falsch-)Informationen über Biowaffen lieferte, die wiederum nach 9/11 die Amerikaner zur Legitimierung für den Irakkrieg benutzten. Am Ende bleibe ich benommen im Kinosessel sitzen: Wessen hirnrissige Idee war es, diesen großartigen Filmstoff zu deutschem Klamauk mit Schenkelklopperwitzen zu verarbeiten? Wie kann man bloß eine solche Story verschenken? Das wäre ja schon ärgerlich, wenn es um die Umsetzung einer fiktiven Vorlage gegangen wäre. Doch hier waren Geheimdienste in Deutschland mit Wissen der großen Politik an einer Riesensauerei geteiligt und Steigbügelhalter für Kriegstreiberei! Wütend verlasse ich den Saal.
Mein zweiter Film des Tages ist Volevo nascondermi (Hidden away), die filmische Künstlerbiographie über Antonio Ligabue (1899–1965) (Elio Germano), einem Vertreter der Art brut. Vor dem Hintergrund wohlkomponierter ausladender Landschaftsaufnahmen (Bildgestaltung von Matteo Cotto) und in einem wunderbar stimmigen historischen Kostüm- und Szenenbild erzählt der Italiener Giorgio Diritti in Buch und Regie vom Überleben eines psychisch versehrten Menschen in einer für ihn extrem feindlichen Umwelt.