Leises rhythmisches Rasseln im Vorspann. Doch bevor der eigentliche Song beginnt, weicht er in der ersten Einstellung des Film dem immer näher kommenden Signal eines Zuges, der in der weiten Landschaft zunächst kaum auszumachen ist. Hinten am Horizont sind im Morgengrauen zwei kleine, fast bewegungslose Lichter zu sehen. Die Gleise machen in der hinteren Ecke des Filmbildes eine Biegung, dann richten sie sich gerade auf den Blickwinkel der Kamera aus. Eine Hochebene, gesäumt von schneebedecktem Hochgebirge. Der Güterzug windet sich langsam auf die Gerade zu, endlose Waggonreihen, das Zugsignal in dieser menschenverlassenen Gegend wird aus unerfindlichen Gründen immer häufiger.
Certain Women, das sind drei Frauen in Montana, dem Nordwesten der USA. Kelly Reichardt erzählt ihre Geschichten behutsam, nimmt sich für die Gegend und ihre Bewohner Zeit, sieht mit viel Liebe fürs Detail genau hin und erzeugt so das Gefühl, reale Menschen in ihrem Leben zu begleiten, als würde man auf einer Reise Menschen kennenlernen. Die Aufnahmen von Christopher Blauvelt, der schon in Reichardts Meek’s Cutoff und Night Moves, aber auch in Tom Fords A Single Man die Kamera geführt hat, gerinnen immer wieder in wohlkomponierte Tableaus, die Landschaften sind rau und ausladend, die Gesichter sprechend.
Reichardt, die den Film auch selbst geschnitten hat, adaptiert in ihrem Drehbuch mehrere Kurzgeschichten der amerikanischen Autorin Maile Meloy, die 2015 im Band Both Ways Is the Only Way I Want It erschienen sind. In den lose miteinander verwobenen Erzählungen schlägt sich Laura Dern mit ihrem zerbrechlichen Spiel als Anwältin mit einem verzweifelten und sich an sie klammernden Mandanten herum, Michelle Williams baut als kantiger und spröder Charakter zusammen mit Mann und Tochter in der Einsamkeit unter widrigen Umständen ein Haus und die bislang noch unbekannte Lily Gladstone verkörpert mit einer ihresgleichen suchenden Würde eine junge Frau, die auf einer Pferdefarm arbeitet und sich einer Juristin (Kirsten Stewart) zu nähern versucht, die in ihrem kleinen Ort einen Abendkurs unterrichtet.
Reichardts sechster Langspielfilm, der im Januar in Sundance seine Premiere hatte, ist langsam, mit kaum vernehmbarer Filmmusik und Geschichten ohne überflüssige dramatische Zuspitzungen. Mit der alles durchdringenden erhabenen Kargheit und der unterschwelligen Trostlosigkeit des Lebens in Montana zitiert der Film die poetische Stimmung des klassischen Westerns, mit Dern, Williams und Gladstone als einsamen Antiheldinnen.
Ein wunderbarer Film.