Volt

| r tarek ehlail | d 2016 | b tarek ehlail | kam mathias prause | ed andrea mertens | a benno fürmann : stipe erçeg : sascha alexander geršak : andré m. hennicke |

volt7Dystopischer Flüchtlingskrisen-Thriller. Hardboiled. Film noir. Silber-grau-atmosphärisch-dunkles Farbsetting, dichte Nahaufnahmen (Kamera: Mathias Prause), schneller Schnitt (Andrea Mertens). Überlaute Musik treibt in harten Hip Hop- und Technobeats den Film vor sich her. Genrekino halt. So etwas darf, muss viril sein. Dass harte Männer ununterbrochen fluchen, versteht sich von selbst. Dürfen auch koksende Unterweltsladys ficken, wenn es denn sein muss. Und rassistische Sprüche gehören zur Grundausstattung der Polizisten einer Einheit, die „in naher Zukunft“ die in einer sogenannten Transitzone ghettoisierten Geflüchteten terrorisieren, um der deutschen Wohlstandsgesellschaft ihre Ruhe zu sichern.

Dazu passt auch die Geschichte des klassischen Sündenfalls: Ein Polizist mit dem sprechenden Namen Volt (lass mal raten: ein Mann unter Spannung?) bringt in der Eingangssequenz im Einsatz einen Geflüchteten um. Die Schuld lastet schwer, Volt fährt deswegen viel und schnell Motorrad, schleicht sich nachts in die (doch eigentlich hermetisch abgeschlossene) Transitzone und macht eine Wandlung durch. Volt ist bereit dafür zu büßen, seine Einstellung zu den Geflüchteten ändert sich und er schläft mit der Schwester des Opfers. Hä?

volt4Und hier sind wir beim Problem des Films: Wer sich auf das Abenteuer eines hard-boiled Thrillers einlässt, muss ein sicheres Händchen im Umgang mit Genres und Stimmungen haben, Milieus gut recherchieren und in Sprache wie Habitus glaubwürdig zeichnen können. Doch genau davon sehen wir in diesem Film zu wenig. Die Dialoge bleiben im – mitunter unerträglichen – Klischee stecken, die Figuren im Stereotyp. Daran gemessen ist die Besetzung von Volt gelungen: Benno Fürmann spielt den Volt genauso unerbittlich, körperlich – und eindimensional, wie er wohl von Regisseur und Drehbuchautor Tarek Ehlail gedacht war. Das einfallslose Szenenbild und die wenigen, immer wieder kehrenden Locations sind wohl dem schmalen Budget des Films geschuldet, dass allerdings ausgerechnet eine Dystopie mit wenig inspirierter Ausstattung glänzt, ist schädlich. Hinzu kommen unrealistisch dargestellte Geflüchtete in hippen Kapuzenpullis und traurigen Gesichtsausdrücken, die alle sauberes Prolldeutsch sprechen, so dass man schon irgendwie befürchtet, gleich könnte jemand von ihnen in echtes schwäbisches oder berlinerisches Idiom verfallen. Vielleicht wollte man damit vermeiden, ein klischeemäßiges „Ausländerdeutsch“ auf die Leinwand zu bringen, gut getan hat diese Entscheidung dem Film nicht. Außerdem schade, dass ein so wunderbarer Schauspieler wie Stipe Erceg für eine für den Fortgang der Story entbehrliche Figur besetzt wird.

volt6Der Film, der auf dem Münchner Filmfest Premiere feierte, stellt das virile Setting nicht in Frage. Es gibt keine Reflexion, keine Distanz zu sich selbst, was den Film sehr bald unerträglich macht. Ich komme mir vor, als würde ich Halbstarken bei ihren Vorstellungen von harten Männern, einer heftigen Story und einem krassen Film zusehen. Dafür geht man eigentlich nicht ins Kino.

filmplakatAngesichts des kargen finanziellen Ausstattung des Films ist es ein kleines Wunder, dass Tarek Ehlail zusammen mit seiner Crew einen Film geschafft haben, der jetzt sogar einen Verleih gefunden hat und wohl Anfang nächsten Jahres in die deutschen Filmtheater kommt. Leider ist aber  trotz des ausgefeilten Filmdesigns (Farbe, Musik, Kamera und Schnitt) in Volt am Ende leider kein großes Kino zu sehen. Zu ungereimt, zu unausgegoren – zu viel Hose, zu wenig Hirn.