ber20 – der vierte tag

Ich sehe den isländischen Last and First Men, einen in bester Hinsicht strengen Film. Es gibt Bild – schwarz-weiß- Aufnahmen von brutalistischer Kriegsdenkmalarchitektur im ehemaligen Jugoslawien –, es gibt Ton – die sphärische Musik des isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson, der auch Regie geführt hat – und es gibt Text – die Stimme Tilda Swindons liest aus dem dystopischen Science fiction-Klassiker von Olaf Stapledon. Das wars. Alles weitere findet im Kopf des Zuschauers statt. Einfach wunderbar.

Am Abend gehe ich in die Woche der Kritik. Das Konzept: Ein Kurzfilm, dann ein langes Format. Im Anschluss diskutieren zwei Kritiker über die Filme. „The point ist to remove the films from authorship.“ Zunächst also Cães que ladram aos pássaros – Dogs barking at birds der jungen Portugiesin (Jahrgang 1992) und aus dem Dokumentarfilm stammenden Leonor Teles. Lief auf der Mostra in Venedig und war Finalist um den European Film Award in der Kategorie Kurzfilm. Mit dem jungen schönen Vicente Gil (er selbst) streife ich zwanzig Minuten durch sein Leben in Lissabon einschließlich Nachtleben, Strand, prekären Lebensverhältnissen und Gentifizierung. Vergeblich warte ich auf einen besonderen Moment oder einen eigenen Zauber, sodass am Ende das dokumentarische Moment über einen durchschnittlichen – vielleicht sogar ein bisschen banalen – jungen Menschen in einer europäischen Großstadt überwiegt.

Im Anschluss Pansori Boxer – My punch-drunk boxer, eine trashig-bonbonfarbene Martial Arts-Verarsche, die ihre Längen hat, nicht ganz genrefest ist und in der für meinen Geschmack entschieden zu wenig gekämpft wird. Doch am Ende geht mir der zwischenzeitlich leichthändige Erstling des Südkoreaners Jung Hyuk-ki noch richtig ans Herz.

historia de mi nombre

In ihrem Erstlingsfilm (Weltpremiere auf dem IFFR 2019) geht die junge chilenische Filmemacherin Karin Cuyul (Jg. 1988) auf dokumentarische Spurensuche nach ihrem Namen, die tief in die Geschichte ihrer Familie eindringt. Sie wurde benannt nach Karin Eitel, die im Untergrund gegen die Pinochet-Diktatur gekämpft hatte, 1987 verhaftet und dann im staatlichen Fernsehen live unter Folter zu einem Geständnis gezwungen worden war. Eine innere Unruhe hatte die Macherin von Historia de mi nombre Karin Cuyul dazu veranlasst, filmisch dem Bild nachzuforschen, das die Eltern jener Karin Eitel später bei einer Begegnung von ihr gemacht hatten. Sie legt ihrer Recherche strenge Regeln auf: Sie möchte im Film nur Fragen stellen, die sich mit filmischen Mitteln beantworten lassen. Außerdem beschäftigt sie sich mit der Geschichte ihres Namens nur soweit es sie auch selbst betrifft. Ein radikaler Ansatz, der in bildlicher sowie narrativer Hinsicht eine Ästhetik der Behutsamkeit und des unbedingten Wahrheitsstrebens mündet, zugleich aber im Impliziten, Vorsichtigen und in der Andeutung verharrt. „historia de mi nombre“ weiterlesen